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Plessner, Helmuth

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Lebenslauf

geboren: 4. September 1892 in Wiesbaden
gestorben: 12. Juni 1985 in Göttingen

Helmuth Plessner wurde als Sohn eines Arztes in Wiesbaden geboren. Ab 1910 studierte er Medizin, Zoologie und Philosophie in Freiburg im Breisgau, Berlin, Heidelberg und Göttingen. 1916 wurde er in Erlangen im Fach Philosophie promoviert. 1920 habilitierte er sich in Köln mit der „Untersuchung zu einer Kritik der philosophischen Urteilskraft“. Im Anschluss lehrte Plessner als Privatdozent und außerordentlicher Professor an der Universität Köln, bis er 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen wurde. In den 1920er-Jahren erschienen seine wichtigsten Schriften. 1933 emigrierte er zunächst nach Istanbul, dann nach Groningen in die Niederlande, wo er als ordentlicher Professor Soziologie lehren konnte. 1951 kehrte er nach Deutschland zurück und lehrte von 1952 – 1961 als Professor am neu gegründeten Institut für Soziologie der Universität Göttingen, deren Rektor er 1960/61 war. Nach seiner Emeritierung im Jahre 1962 nahm er verschiedene Lehraufträge u. a. in New York und Zürich an. Am Ende von langer Krankheit gezeichnet, erlebte er noch die Veröffentlichung seiner Gesammelten Werke.


Bedeutung

Helmuth Plessner war ein bedeutender Philosoph und Soziologe des 20. Jahrhunderts und gilt neben Arnold Gehlen und Max Scheler als Begründer der modernen philosophischen Anthropologie.


Lehre und Gedanken:

Unter Einbeziehung der Humanbiologie, der Psychologie und der Soziologie erarbeitete Plessner im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Theorie der Beziehung des Menschen zu seiner Welt. Zusammen mit Arnold Gehlen und Max Scheler unternahm er eine Neubegründung der Frage nach dem Menschen und seiner Stellung in der Welt, der Geschichte und der Natur.

Vor allem in seinem 1928 erschienenen Hauptwerk „Die Stufen des Organischen und der Mensch“ legte Plessner die Grundzüge seiner philosophischen Anthropologie dar. Der dabei zentrale Gedanke ist in Plessners Begriff der „exzentrischen Position“ des Menschen ausgesprochen. Dieser Begriff soll die Unterscheidung des Menschen vom Tier verdeutlichen: Das Tier lebt aus einem Mittelpunkt heraus immer im Hier und Jetzt und ist in ein festes Regelsystem von Trieb, Wahrnehmung und Instinkthandlung eingebunden. Es steht sozusagen im Zentrum seiner Welt, es ist zentrisch organisiert. Im Gegensatz zum Tier ist die Seinsweise des Menschen ex-zentrisch. Der Mensch steht also keineswegs im Mittelpunkt seiner Welt, sondern ist vielmehr durch seine „Weltoffenheit“ gekennzeichnet, die ihn außerhalb (ex-zentrisch) stehen lässt. Im Unterschied zum zentrierten Tier kann und muss der Mensch jederzeit in ein reflexives Verhältnis zu sich selbst treten (z. B. im Selbstbewusstsein) und seinen Standort in der Welt und seine innere Identität selbst bestimmen.

Aus dieser exzentrischen Sonderstellung des Menschen könne man aber nicht, so Plessner, eine metaphysische Deutung des Menschen als „Krone der Schöpfung“ begründen, wie etwa Max Scheler das in seiner Anthropologie tat. Eindringlich warnt er vor Versuchen der Selbstermächtigung des Menschen – des Wesens „ohne Mitte“ – gegenüber dem Rest der Welt.

Unter dem Eindruck des Nationalsozialismus kritisierte Plessner in seinem 1935 entstandenen und 1959 unter dem Titel „Die verspätete Nation“ erschienenen Werk dann auch scharf die unter anderem aus der Mittellosigkeit resultierende Verführbarkeit des Menschen.

In seinem 1966 erschienenem Spätwerk „Diesseits der Utopie“ übte Plessner vor allem Kritik an der gegenwärtigen omnipotenten Medienwelt.


Hauptwerke von Helmuth Plessner

„Die Stufen des Organischen und der Mensch“ (1928)
Helmuth Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie. Berlin: de Gruyter 1975.

„Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes“ (1935 und 1959)
Helmuth Plessner: Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes. Frankfurt /M.: Suhrkamp 1994.

„Diesseits der Utopie“ (1966)
Helmuth Plessner: Diesseits der Utopie. Frankfurt /M.: Suhrkamp 1974.


Über Helmuth Plessner

Kai Haucke: Plessner zur Einführung. Hamburg: Junius 2000.

Stephan Pietrowicz: Helmuth Plessner. Genese und System seines philosophisch-anthropologischen Denkens. Freiburg/München: Alber 1992.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2010

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